"Ich bin jetzt gern mit mir allein. Seit dem Tod meiner Frau vor Jahren habe ich nach einiger Zeit der Trauer das Malen für mich entdeckt. Bereits morgens beim Frühstück überlege ich mir, was ich heute malen werde. Ich freue mich jeden Tag darauf. Ich brauche dann keine anderen Menschen um mich herum. Meine Kinder und Enkelkinder sehe ich regelmäßig. Aber das Malen brauche ich ganz für mich allein. Wenn ich male, bin ich völlig zufrieden, im Einklang mit mir selbst."
"Im Lockdown habe ich praktisch keinen Menschen bei mir in der Wohnung gesehen. Ich war völlig auf mich gestellt. Keiner konnte mich besuchen und ich bin zu keinem gegangen. Lebensmittel habe ich mir vor die Tür stellen lassen. Praktisch habe ich tagelang kein Wort mit anderen gewechselt. Schließlich habe ich mit mir selbst geredet. Es war schrecklich. Ich fühlte mich total isoliert."
Die zwei Seiten des Alleinseins:
Alleinsein in Zufriedenheit und Gelassenheit. Es zeigt: Der Mensch kann gut allein sein, wenn er sich selbst darin wiederfindet, wenn es ihm oder ihr Sinn macht.
Und die andere Seite des Alleinseins: Empfindungen von Belastung, Angst, Druck und Trauer dominieren. Alleinsein als erzwungene Einsamkeit, als auferlegtes Schicksal.
Jede kennt diese beiden Seiten des Alleinseins, doch die Einsamkeit gilt als das große Schreckgespenst unserer Zeit. Denn sie wird meist als auferlegt, erzwungen erlebt. Trennungen jeder Art können dieses schmerzhafte Gefühl noch verstärken.
Selbst im Internet kann die Einsamkeit mit ihrem dunklen Gesicht erscheinen, wenn zum Beispiel eigene Postings keine "Likes" bekommen oder sich eine wichtige Kontaktperson nicht mehr zurückmeldet. Auch ein schwaches Mobilfunknetz, ein defektes WLAN, ein Funkloch können sekundenschnell in die Einsamkeit katapultieren.
Einsamkeit ist letztlich ein schmerzvolles Gefühl, das belastende Empfinden, dass der Wunsch nach Beziehung und sozialen Kontakten, wie ich mir sie wünsche, aktuell nicht erfüllt ist. Ich fühle mich isoliert. Ich erlebe keine Nähe. Die anderen sind mir fern.
Einsamkeit kann im Alleinsein auftreten.
Doch selbst mitten in einer Gruppe, im Gewühle der belebten Fußgängerzone, selbst in einer großen Familie oder in einer Partnerschaft kann ein Mensch tiefe Einsamkeit erleben.
Und treten diese Einsamkeitsgefühle immer wieder auf, kann sozialer Rückzug die Folge sein, der die Einsamkeit verstärken kann, nicht lindert.
Das Alleinsein ist dagegen einfach eine Situation oder Zustand, in der sich eine Person ohne andere Menschen befindet: in der Wohnung, beim Sport, auf dem Weg zur Arbeit, am Schreibtisch im Home Office, im Wald, mitten in der Stadt ...
Doch lässt sich das Alleinsein auch gezielt suchen und finden. Der bewusste Rückzug in die eigenen vier Wände, in ein Kloster, in eine Wellnessoase oder in die Natur kann befreiend sein - endlich für mich allein. Wie schön!
Menschen sind Rudeltiere, zumal in Belastungssituationen. Dann suchen die meisten sofort soziale Nähe, vertraute Personen, Gespräche, Kontakt, Berührungen. Wer sich einsam fühlt, signalisiert: Jetzt brauche ich Kontakt zu anderen, jetzt brauche ich Unterstützung. Wie die Schauspielerin Nora Tschirner sagt: Jedes Rudel ist dann recht. Ob Mensch oder Tier.
Menschen brauchen aber auch zumindest zeitweise das Alleinsein, um sich selbst wieder wahrzunehmen, sich als eigener Mensch zu fühlen.
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